Leyla Ibrahimova ist seit 2018 Koordinatorin im von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales geförderten Projekt Lebendige Nachbarschaften LeNa der Landesfreiwilligenagentur Berlin in Kooperation mit moveGLOBAL e.V., dem Berliner Verband für migrantisch-diasporische Organisationen in der Einen-Welt. Sie kennt sich in der Engagementlandschaft aus und berichtet:
Veränderte Arbeitsweisen und Kommunikationsstrukturen
Die gegenwärtige Arbeitssituation in Corona-Zeit hat die Arbeitsweise und Kommunikationsstruktur der Migrant*innenorganisationen, der MOs tiefgreifend beeinflusst. Die normale Arbeitsproduktivität ist abgeschwächt, Sitzungen finden nur per Video- und Telekonferenzen statt, viele Angebote sind auf digitale Formate umgestiegen. Ähnlich wie in anderen Organisationen besteht die Arbeit der MOs aus alltäglichem Kontakt mit ihren Zielgruppen.
Da ihre Arbeit in der Regel auf direkten bzw. persönlichen Kontakt mit Menschen ausgerichtet ist, sind die Beratungsangebote zurzeit zwar nicht komplett eingestellt, aber schon massiv eingeschränkt. Viele interkulturelle Organisationen bieten über E-Mail und Telefon Ratsuchenden weiter Unterstützung an.
Das bedeutet, dass einerseits die Beratungszahlen z.T. zurückgegangen sind, was jedoch andererseits dazu geführt hat, dass der zeitliche Aufwand für die einzelne Beratung gestiegen ist. Denn das für den Beratungsprozess wichtige Vertrauen wird nun mehr durch Kommunikation und Kontakte über E-Mail und Telefon gebildet. Im Großen und Ganzen ist festzustellen, dass das Arbeitsaufkommen durch die Umstellung auf die digitale Ebene etwas intensiver, die Abstimmungsprozesse im Team aufwendiger und langwieriger geworden sind.
Digital aktiv und weiter gemeinsam stark
Die Arbeit in MOs muss jedoch fortgeführt und an veränderte Umstände angepasst werden, damit die Zielsetzungen in allen Projekten insgesamt erreichbar bleiben, Aufgaben weiterhin bewältigt und die Leistungsfähigkeit der Organisationen sichergestellt werden. Unsere Kooperation und das gemeinsame Engagement für eine bunte, multikulturelle, inklusive, pluralistische und offene Gesellschaft gehen dementsprechend in und mit Migrant*innenorganisationen weiter, weil ihre Stimme gegenüber möglichen Spaltungstendenzen aktuell in der Krisenzeit besonders wichtig ist und weiterhin politisches Gehör bekommen muss.
Die meisten MOs leiten spezielle und mehrsprachige Informationen zu Corona-Schutzmaßnahmen und dem Umgang mit der aktuellen Situation an ihre Netzwerke und Communities weiter und verbreiten diese aktiv über Social-Media-Kanäle. So ist beispielsweise moveGLOBAL e.V. verstärkt online (Facebook, Twitter, Webseite) tätig.
moveGLOBAL - erstmals online demonstriert und der Wegweiser zu Covid19 wöchentlich aktualisiert
Da in Zeiten der Corona-Pandemie Online-Veranstaltungen an Bedeutung gewonnen haben, hat der Dachverband moveGLOBAL e.V. Aktivitäten wie zuletzt eine Online-Demo zum zum Internationalen Tag gegen Rassismus während der Internationalen Wochen gegen Rassismus am 21. März 2020 durchgeführt.
An dieser Online-Demo haben sich spontan Menschen beteiligt und durch das Posten entsprechender Fotos mit Hashtags zum Thema #Rassismus die Aktion unterstützt. Somit haben sie ein Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung gesetzt und ihre Solidarität mit den Betroffenen demonstriert. Die Aktion war ein Novum für den Verband und solche alternative Online-Formate werden auch zukünftig veranstaltet.
Darüber hinaus hat moveGLOBAL e.V. im Rahmen des Projekts Samofa einen Wegweiser aus allen erhaltenen Informationen zum Coronavirus erstellt. Der Wegweiser enthält Links und QR-Codes zu den einzelnen Informationen für Geflüchtete, Ehrenamtliche und alle Interessierte, wird wöchentlich aktualisiert und ist auf der Webseite des Verbands hochgeladen. Die aktuellste Version ist hier abrufbar.
Was machen BDB, Yaar und das Integrationsbüro Pankow?
Der Bund für Antidiskriminierungs- und Bildungsarbeit in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (BDB) ist neben seiner Beratungsarbeit und den dazu gehörenden Aufgaben auch mit der Entwicklung von neuen digitalen Strukturen beschäftigt, weil es so langsam klar wird, dass man nicht nur ein kurzfristiges Phänomen überbrücken muss. Als Antidiskriminierungsorganisation beschränkt sich der Verein momentan nicht auf die Informationsvermittlung. Er arbeitet intensiv daran, seine Sensibilisierungs- und Empowermentworkshops für Menschen mit und ohne Rassismuserfahrung methodisch-didaktisch neu zu gestalten und einen möglichst vertraulichen Video-Raum anzubieten, wo Leute sich öffnen und Moderator*innen auch gegebenenfalls emotionale Gruppendynamiken auffangen können.
Trotz der aktuellen sozialen Kontaktbeschränkungen ist auch Yaar e.V. weiterhin für die Menschen der afghanischen Community erreichbar. Ein neuer Arbeitsschwerpunkt von Yaar war der Aufbau eines Corona-Blogs, das unmittelbar mit dem Eintreten der Kontaktsperre online ging. Hier wird die afghanische Community auf Farsi tagesaktuell zu Geschehnissen rund um das Thema COVID-19 Virus informiert. Im Blog finden sich hier allgemeine Informationen zur Pandemie sowie Verweise auf Beratungsstellen im Falle eines Verdachts.
Um mit eigener Klientel bestehende Kontakte aufrechtzuerhalten, dafür geeignete kreative Wege und Lösungen zu finden sowie in dieser Zeit zusammenzustehen, hat das Integrationsbüro Pankow eine neue Aktion gestartet: #DasLäuft! Machen Sie mit! In kurzen Videobeiträgen präsentieren hier MOs im Bezirk Pankow, wie Sie ihre Arbeit bzw. ihr Engagement unter den gegebenen Bedingungen weiter umsetzen und geplante Aktivitäten online stattfinden lassen.
Folgen des Coronavirus für Moscheegemeinden und muslimische Nachbarschaftshilfe
Die Folgen des Coronavirus treffen auch die Moscheen hart. Denn sie werden fast ausschließlich durch Spendengelder finanziert und die laufenden Kosten müssen weiterhin gedeckt werden. Moscheen sind Zentren der Begegnung für Muslim*innen und haben häufig noch weitere Angebote: Projekte gegen Extremismus, Vorträge, Film- und Literaturabende, Seelsorge, Feiern, Seminare und Führungen – die Liste der Dinge, die man von Moscheen erwartet und die größtenteils Ehrenamtliche stemmen, ist vielfältig. Um ihre Arbeit auch nach Corona fortführen zu können und diese schwere Zeit zu überstehen, sind die Moscheen auf Hilfen angewiesen.
Angesichts der derzeitigen Situation und damit verbundenen Verordnungen setzt sich die Neuköllner Begegnungsstätte e.V./Dar as-Salam Moschee aktiv für Hilfsbedürftige und somit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ein. Mithilfe einer Initiative „Solidarität in Krisenzeiten: Muslim*innen helfen!“ wird Menschen, die zur Risikogruppe gehören, Unterstützung beim Einkauf, Apothekengängen, alltäglichen Aufgaben u.Ä. angeboten, um sie vor einer möglichen Infektion zu schützen. Es wurde hierfür ein digitale Flyer entworfen und Ehrenamtliche engagieren sich mutig in ihren jeweiligen Nachbarschaften.
Engagiert in der Coronazeit | Interkulturell & Dabei
Foto: Gregor Baumann | Aktualisiert: 17.06.2020